Auftakt zur Haushaltsberatung im Bundestag

Claudia Raffelhüschen MdB

In der ersten Sitzungswoche nach der Sommerpause hat der Deutsche Bundestag die Entwürfe der Bundesregierung für die Haushalte der Bundesministerien im kommenden Jahr beraten. Im weiteren Verlauf der Beratungen werden die Abgeordneten über Änderungsvorschläge diskutieren und entscheiden. Nähere Informationen über den Weg vom Entwurf zum Beschluss bietet der Deutsche Bundestag auf seiner Homepage. Claudia Raffelhüschen führt seitens der Fraktion der Freien Demokraten die Verhandlungen zu den Etats des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.

Familie, Senioren, Frauen und Jugend

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» Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schon bei den ersten Haushaltsberatungen in dieser Koalition war klar, dass wir nach den Pandemiejahren mit einer nie dagewesenen Neuverschuldung so schnell wie möglich zu einer soliden Haushaltsführung zurückkehren mussten. Im letzten Jahr kamen dann der Krieg Russlands gegen die Ukraine und die Leitzinserhöhungen der EZB noch erschwerend hinzu – ersterer völlig unerwartet, letztere nicht, sondern nach Jahren der Geldflutungspolitik längst überfällig. Insofern ist die vielbeschworene Zeitenwende nach dem Ukrainekrieg nicht nur in der Verteidigungspolitik notwendig, sondern auch bei unserem Staatshaushalt. Als Volkswirtin weiß ich: Schulden machen nicht frei, sie engen ein – politische Spielräume genauso wie persönliche Chancen. Dauerhaft hohe Staatsschuldenquoten schaffen eben keine grandiosen neuen Möglichkeiten, sondern führen zu steil anwachsenden Zinsverpflichtungen und rauben unseren Kindern und Enkeln damit so manche Möglichkeit, die wir für uns noch ganz selbstverständlich in Anspruch nehmen. Generationengerechtigkeit geht anders. Und damit wäre ich auch beim Einzelplan 17, dem Etat des Familienministeriums. Ja, der Einzelplan sinkt im Vergleich zum Soll von 2023 um etwa 1,5 Prozent. Aber er liegt immer noch bei 13,3 Milliarden Euro und damit 608 Millionen über dem geltenden Finanzplan. Das Familienministerium trägt damit seinen Teil zur dringend notwendigen Haushaltskonsolidierung bei. Dass dies an mancher Stelle zu großem Staunen und Entsetzen geführt hat, finde ich wiederum sehr erstaunlich. Richtig ist, dass Finanzminister Lindner Sparvorgaben unter anderem im Familienetat gemacht hat. Falsch ist jedoch, dass Christian Lindner vorgeschrieben hätte, in welchen Kapiteln und Titeln exakt welche Kürzungen vorgenommen werden. Der vorliegende Regierungsentwurf ist genau dies: ein erster Aufschlag der Familienministerin, der heute zum ersten Mal im Bundestag beraten wird. Um die notwendigen Sparvorgaben umzusetzen, hätten sowohl Fachpolitiker als auch die Haushälter der Ampel sicherlich zum Teil andere Akzente gesetzt und werden dies nach Möglichkeit auch noch tun. Dies ist im Übrigen, liebe Presse, liebe Verbände, liebe Kolleginnen und Kollegen, nichts Ungewöhnliches, sondern das ganz normale parlamentarische Haushaltsverfahren. Ebenfalls nicht ungewöhnlich ist, in einem föderalen Staat zwischen den Aufgaben des Bundes und der Länder zu unterscheiden. Das gilt erst recht, wenn die finanziellen Spielräume enger werden, und das tun sie aktuell vor allem für den Bund und nicht für die Länder. Dennoch zahlt der Bund jährlich zig Milliarden Euro für Leistungen, die Kindern und Jugendlichen zugutekommen und grundsätzlich Ländersache sind. Das ist eine starke Leistung des Bundes und keine Selbstverständlichkeit. Umgekehrt gilt aber auch: Wenn im Bundeshaushalt Programme und Modellprojekte für Länderaufgaben auslaufen, seien es Sprach-Kitas oder „Respekt Coaches“, dann verbietet sich jegliche Empörung darüber, dass der Bund nach Jahren der freiwillig erbrachten Leistung korrekterweise zu einer verfassungsgemäßen Arbeits- und Haushaltsteilung zurückkehrt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, in den kommenden Wochen werden wir darüber sprechen, welche Schwerpunkte wir in der Familienpolitik setzen wollen. Für mich persönlich verdienen Kinder und Jugendliche weiterhin die größte Aufmerksamkeit, weil die – teils fragwürdigen – Pandemiemaßnahmen für sie ungleich härtere Folgen hatten als für uns Erwachsene. Ausgaben zum Beispiel im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit im Sport sind daher sinnvolle Investitionen in die Zukunft, und zwar sowohl für die Kinder als auch für die Gesellschaft als Ganze. In diesem Zusammenhang bin ich auch sehr froh, dass wir nun eine gute und auch haushalterisch vertretbare Lösung für die Kindergrundsicherung gefunden haben. Noch eine Bemerkung zum Schluss. Vielleicht ist eine Phase der Haushaltskonsolidierung auch ein guter Zeitpunkt, darüber nachzudenken, wie wir Dinge verbessern können, ohne dafür immer nur mehr Geld auszugeben. Wo können wir Verwaltungskosten sparen und Mittel für inhaltliche Arbeit freimachen? Wollen wir in der Kinderbetreuung mehr Beitragsfreiheit mit der Gießkanne oder mehr Qualität und Flexibilität für Familien? Und gerade für Kinder und Jugendliche bedeuten ein gutes Zuhause und gesellschaftliche Teilhabe sehr viel mehr als die reine Erhöhung von Regelsätzen und Sozialleistungen. In diesem Sinne freue ich mich auf die weiteren Beratungen und unseren gemeinsamen Einsatz für einen guten und soliden Familienhaushalt. Vielen Dank. «

Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

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» Der Haushalt für 2024 steht für das ehrgeizige Unterfangen, steigende Anforderungen zu erfüllen und gleichzeitig den dringend notwendigen Weg der Konsolidierung weiterzugehen. Denn um Probleme nachhaltig zu lösen, ist das Aussetzen der Schuldenbremse genauso falsch, wie es die jahrelange Geldflutungspolitik der EZB war. Auf die Entwicklungszusammenarbeit bezogen heißt das: Wir müssen lernen, weltweit mehr Brände zu löschen, ohne auf Kosten nachfolgender Generationen einfach nur die Wassermenge zu erhöhen. Unsere Entwicklungsministerin Svenja Schulze tut genau das und nimmt mit dem vorliegenden Regierungsentwurf die Herausforderung an, auch in Zeiten knapper Haushaltsmittel den Kampf gegen die vielfältigen Herausforderungen weltweit nicht aufzugeben, sondern das Bestmögliche aus den vorhandenen Mitteln zu machen. Mit dem Etat von gut 11,5 Milliarden Euro können wir keine Wunder vollbringen; aber wir können für die betroffenen Menschen vor Ort doch einiges verbessern. Dabei müssen wir weiterhin so manchen Spagat vollbringen, der die Entwicklungszusammenarbeit manchmal komplexer und diffiziler macht als so manch anderes Politikfeld: Wir brauchen ein Höchstmaß an Transparenz bei der Mittelverwendung, dürfen aber dabei die praktische Arbeit nicht mit leider typisch deutscher Bürokratie ersticken. Wir wollen für alle Projekte höchste technische, juristische, soziale und ökologische Standards. Wenn aber beispielsweise einzelne Verträge für Projekte für den Bau von Staudämmen oder Energieanlagen viele Hundert Seiten umfassen und gefühlt mehr Juristen als Ingenieure damit befasst sind, scheint mir das nicht der optimale Weg zu sein, unsere Entwicklungsgelder einzusetzen. Auch das Unterscheiden zwischen inakzeptablen Regimes einerseits und den Bedürfnissen der Zivilbevölkerung andererseits ist ein Spagat, den die Entwicklungszusammenarbeit permanent leisten muss. Auf unserer diesjährigen Berichterstatterreise nach Israel, Jordanien und in die palästinensischen Gebiete wurde uns das eindrücklich vor Augen geführt: So beunruhigend die politische Situation in Israel ist und so verfahren der Nahostkonflikt leider weiterhin bleibt, so wichtig ist oft die Arbeit der Hilfsorganisationen vor Ort. Speziell das von der UNRWA geführte Flüchtlingslager in Jerash hat uns tief beeindruckt, und gerade für die Kinder dort ist das vorbildliche Engagement der Helferinnen einfach unverzichtbar. Gleichwohl dürfen wir die Augen nicht davor verschließen, dass dieses Leid der Kinder auch systematisch missbraucht wird und Hilfsgelder leider immer wieder in dubiosen Kanälen versanden oder zweckentfremdet werden. Hier würde ich mir wünschen, dass BMZ und Auswärtiges Amt sich zukünftig noch viel stärker für eine Mittelverwendung einsetzen, die antisemitische Zwecke rigoros ausschließt, zum Beispiel mit einer Nachweispflicht der geförderten Institutionen über die Einhaltung von in Deutschland gesetzten Standards. Ein anderes dramatisches Beispiel für den Konflikt zwischen diplomatischen und humanitären Interessen ist derzeit Afghanistan: Niemand will die Taliban direkt oder indirekt unterstützen, und dennoch sollten wir die Arbeit einiger NGOs dort weiter fördern. Beim Kampf gegen die letzten Wildvarianten von Polio spielt Afghanistan beispielsweise eine zentrale Rolle, und daher bin ich sehr froh, dass wir weiterhin die Global Polio Eradication Initiative unterstützen. Die Ausrottung dieser Krankheit ist fast geschafft. Vielleicht sollten wir, selbst wenn es nicht so typisch deutsch ist, generell öfter auch einen Blick auf die Erfolge der Entwicklungszusammenarbeit wagen: Zwischen 1990 und 2021 sank die durchschnittliche weltweite Kindersterblichkeitsrate bei den unter Fünfjährigen von 93 auf 38 je 1 000 Lebendgeburten. Auch die Zahl der Menschen, die in extremer Armut leben, sinkt laut der Prognosen der Weltbank nach dem pandemiebedingten Anstieg 2020 wieder. Am stärksten betroffen bleibt Subsahara-Afrika, und das schlägt sich sowohl in der neuen Afrika-Strategie des BMZ nieder als auch im Einzelplan 23, wenn wir zum Beispiel auf die bilaterale Zusammenarbeit schauen. Es bleibt also vieles zu tun, und ich freue mich daher sehr auf die weiteren Beratungen zu diesem Etat. Ich danke Ihnen. «

Arbeit und Soziales

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» Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die vergangenen Monate der Haushaltsaufstellung waren offenkundig sehr herausfordernd. Gemündet sind sie in einen Regierungsentwurf, den wir in dieser Woche nun in erster Lesung beraten. Das heißt, erst jetzt beginnt das parlamentarische Verfahren. Daher ist es mir wichtig, ein paar grundlegende Worte zur Haushaltsaufstellung zu verlieren. Erstens gilt weiterhin: Wir brauchen die Schuldenbremse nicht nur; sie ist auch in unserem Grundgesetz verankert. Zweitens. Der Bundeshaushalt 2024 ist trotz wichtiger Konsolidierungs- und Einsparvorhaben kein Sparhaushalt. Vergleichen wir den vorliegenden Regierungsentwurf mit dem Vorkrisenniveau, dann wird deutlich, dass wir in den kommenden Jahren satte 90 Milliarden Euro oder 25 Prozent mehr verausgaben werden als etwa 2019. Wer hier von einem Sparhaushalt spricht, hat meiner Meinung nach den Bezug zur Realität verloren. Drittens. Deutschland steht leider nicht gut da. Die Wirtschaft ist jüngst in eine Rezession gerutscht. Die Inflation ist weiter viel zu hoch; die Arbeitslosigkeit beginnt wieder zu steigen, und im internationalen Vergleich schneiden wir schlecht ab. Das darf nicht so bleiben, und daher ist es absolut richtig, dass Bundesfinanzminister Christian Lindner zu strikter Haushaltsdisziplin aufgerufen hat. Ziel muss es sein, der deutschen Wirtschaft wieder auf die Beine zu helfen. Denn nur so wird der Fiskus auch in Zukunft genügend Mittel zur Verfügung haben, um unseren generösen, aber eben auch sehr teuren Sozialstaat zu finanzieren. Kommen wir nun zum Einzelplan 11. Mit fast 172 Milliarden Euro ist der Etat des Arbeits- und Sozialministeriums in seiner uns vorliegenden Fassung nochmals deutlich angestiegen. Im Vergleich zum Jahr 2023 verzeichnet das BMAS ein Plus von rund 5,5 Milliarden Euro, was fast ausschließlich auf die immer weiter steigenden Zuschüsse an die Rentenversicherung zurückzuführen ist. Ganze 117,2 Milliarden Euro schießen wir in das umlagefinanzierte Rentensystem. Das sind astronomische Summen – die Rentner haben es verdient; das bestreite ich ja gar nicht; trotzdem müssen wir was machen –, die jedes Jahr eindrucksvoller zeigen, wie reformbedürftig und ungerecht unser Rentensystem inzwischen geworden ist. Was die jungen Menschen in diesem Land inzwischen und insbesondere zukünftig schultern müssen, ist wirklich erschreckend. Das BMAS will im Bereich der Rentenversicherung einen Beitrag zur Konsolidierung des Bundeshaushaltes leisten und senkt den zusätzlichen Bundeszuschuss im Zeitraum 2024 bis 2027 um 600 Millionen Euro jährlich ab. Im parlamentarischen Verfahren müssen wir neben diesen sicherlich wirklich gutgemeinten, aber doch im Verhältnis kleinen Maßnahmen wieder ins Gespräch kommen, wie wir das Gesamtsystem Rente dauerhaft stabilisieren können, ohne immer nur an der Schraube Bundeszuschuss zu drehen. Außerdem gilt es zu verhindern, dass der Beitragssatz in der Rentenversicherung durch diese steuerliche Entlastung zukünftig noch weiter ansteigen wird; denn das würde die jungen Beitragszahler noch mehr belasten und der angestrebten Generationengerechtigkeit zuwiderlaufen. Nur die Konstanz des Beitragssatzes ist wirklich generationengerecht. Neben der Rente dürfte auch der gesamte Bereich SGB II zu intensivem Beratungsbedarf führen, nicht nur wegen der Finanzierung – das Gesamtbudget liegt im Jahr 2024 laut Regierungsentwurf und entsprechend dem Finanzplan wieder bei 9,85 Milliarden Euro –, sondern auch wegen der geplanten Aufgabenverlagerung hinsichtlich junger Bürgergeld beziehender Menschen unter 25 Jahren. Ab dem Jahr 2025 soll das Gesamtbudget SGB II somit um 900 Millionen Euro jährlich sinken. Die praktische Zuständigkeit für die Betreuung geht von den Jobcentern auf die Bundesagentur für Arbeit über. Ich bin ehrlich: Auch für mich muss erst noch die Frage geklärt werden, ob es sich um wirkliche Sparmaßnahmen oder um einen Verschiebebahnhof handelt. Denn letztlich wird hier eine Bezugsgruppe aus der Steuerfinanzierung in die Beitragsfinanzierung und damit in den Dunstkreis des SGB III, also einer Versicherungsleistung, verschoben. Zwar wird zunächst eine finanzielle Entlastung des Bundeshaushaltes stattfinden; gleichzeitig würde der Haushalt der Bundesagentur aber überproportional belastet, da die Kommunen ihre finanziellen Anteile nicht mehr übernehmen müssen. Laut Bundesrechnungshof würden hier Mehrkosten von rund 1,1 Milliarden Euro entstehen. Zudem könnte die Folge sein, dass die Bundesagentur für Arbeit die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung in Zukunft erhöhen müsste. Dann hätten wir unterm Strich gar nichts gewonnen, ganz abgesehen von der vermutlich leidenden Qualität der Beratung junger Menschen und der potenziell inflationstreibenden Komponente durch höhere Sozialabgaben bei Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Der Bundesrechnungshof teilt diese Thesen in einem kürzlich veröffentlichten Bericht, den wir als kritische Grundlage in die anstehenden Haushaltsberatungen mitnehmen müssen. Im nun beginnenden parlamentarischen Verfahren werden wir deshalb noch mal über all dies sprechen. Das ist unsere Aufgabe als Haushälterinnen und Haushälter, und das verbindet uns auch über die Fraktionsgrenzen hinweg. Unser Ziel muss ein solider Haushalt sein, der den Menschen in diesem Land gerecht wird, sie aber eben nicht überfordert; denn wir hantieren immer noch mit Steuergeldern, und darüber darf nicht leichtfertig entschieden werden. Deshalb: Es ist gut, dass wir einen Regierungsentwurf vorliegen haben, der die Schuldenbremse einhält und zur Konsolidierung beiträgt. Lassen Sie uns nun, lieber Herr Minister und liebe Kolleginnen und Kollegen Haushälter, ins Gespräch kommen. Vielen Dank.